wer bin ich, wenn ich online bin

online1und was macht mein Gehirn solange?” ist der Titel eines ganz interessanten Buches von Nicolas Carr. Der Autor geht dem Phänomen, dass viele Leute beim Surfen und Posten so sehr mit dem Medium Internet beschäftigt sind, dass sie die Inhalte des Gelesenen gar nicht mehr so richtig wahrnehmen und somit unser aller Surfer-Gehirn immer weniger zu tun bekommt, auf den Grund. Obwohl das natürlich auch total spannend ist, soll das gar nicht mein heutiges Thema sein. Ich fand’ nur den Titel ganz passend, denn mir geht es auch irgendwie darum zu gucken, wer ich bin, wenn ich online bin. Wer bin ich eigentlich, wenn ich online bin und diesen Blog hier mit Inhalten fülle?

Das Internet ist voll. Voller Fotos. Von Leuten zum Beispiel. Wenn Menschen von sich selbst Fotos ins Internet stellen (egal in welchem Socialmediakanal oder auf welche Website), dann finden sie sich darauf gutaussehend – ja, zumindestens okay-aussehend. Mal ehrlich. Stellst du ein Foto von dir irgendwo ein, auf dem deine zwei von der Schwangerschaft übriggebliebenen Speckrollen aus so einem fiesen Winkel aufgenommen wurden, dass sie wie vier Rollen aussehen? Doch ja wohl nicht. Um den guten Ruf des eigenen Kindes nicht zu schädigen, stellst du von deinem Mini-Menschen auch kein Video ein, auf dem es völlig ausrastet oder einen Affen imitiert. Auch klar. Was ich meine, geht aber noch etwas weiter.

Während ich mir also vorher genau überlege, welche Fotos ich einstelle, treffe ich somit automatisch die Entscheidung, welcher Mensch ich hier sein will. Bin ich die Julia, die ausschließlich vom sonnigen Familienleben berichtet. Ganz ohne Probleme als “neugeborene” Mama? Alles klappt wie am Schnürchen, die Pfunde sind auch längst wieder weg, Streit gibt es nie und das Kind ist schon jetzt mit fast 11 Monaten ein totaler Überflieger, schläft immer durch und läuft bereits. Oder gebe ich auch ein kleines bißchen von der Julia preis, die auch mal an ihre Grenzen stößt, auch mal weint, auch einfach Mensch ist. Viele ganz private Themen gehören, meiner Meinung nach, nicht in einen Blog und diese so unglaublich privaten Themen werdet ihr auch niemals hier finden. Trotzdem können auch vermeintlich unspektakuläre Fotos (wie zum Beispiel das vom ersten Besuch beim “Chinamann” auf Friedas Facebookseite) eine Diskussion auslösen oder einen zumindestens in die unangenehme Situation bringen, dass man sich rechtfertigen und/oder erklären möchte. Genauso kann es mit Pflegeprodukten online2kommen, die ich gerne nutze, einer anderen Person dieses Produkt aber zu wenig Öko ist. Ein anderer Blog-Leser würde niemals Babywäsche mit Weichspüler waschen und gibt sein Know-How dazu zum Besten, um mich möglicherweise von der Schädlichkeit des Weichspülers zu überzeugen (hatten wir noch nicht, könnte aber noch kommen). Und ob ich mein Kind von Melanin- oder Plastikgeschirr essen lasse, entscheide auch ich. Wieder andere fühlen sich übrigens ernsthaft persönlich angegriffen, weil ich mich nur ganz ungern mit vielen Muttis auf einen Haufen treffe. Den Schuh ziehe ich mir allerdings nicht an, denn meine Texte sagen viel mehr etwas über mich und meine Persönlichkeit aus und soll gar kein Rüffel an andere Mamas sein.

Was ich damit sagen möchte: Man muss sich eben überlegen, wer man sein will, wen man darstellen will, wenn man online ist. Je mehr man von sich und seinem realen Leben mitteilt, desto angreifbarer macht man sich. Man trifft auf Menschen, die ihr Leben mit allem was dazu gehört (Muttis treffen, Weichspüler benutzen, parfümierte Crème auf die Beine schmieren oder Babys mit Handys spielen lassen) anders machen. Anders, aber trotzdem nicht unbedingt besser oder schlechter – einfach nur anders.

Und wenn du dich nun durch meine ganz persönlichen Gedanken angesprochen und gemeint fühlst: Eine andere Meinung als meine darf und soll bitte auch hier kundgetan werden. “Open minded” fängt aber da an, wo man Seins dann trotzdem nicht als Non-Plus-Ultra verkauft, sondern dem Anderssein und Andersmachen ebenfalls gleichwertigen Raum gibt. Raum zu existieren.

3 Comments

  • Liebe Julia,

    ja, bei diesem Thema fühle ich mich eigentlich immer angesprochen. Ich bin ja seit vielen Jahren auch gerne “virtuell unterwegs” und hab mich da zuweilen (vielleicht manchmal auch ein klein bisschen *blauäugig*) darüber erschrocken, wie leicht man doch zu finden ist, sobald man sich in diversen Foren, Blogs etc. mit einbringt. Ich hab mich vor Jahren da ganz konkret in einem Abnehmforum 😉 dazu geäußert und da fanden gerade diese Tatsache einige der Mitglieder eher amüsant. Sicher, man muss überlegen, was genau man von sich preisgibt, sei es in Textform oder halt auch in Form von Fotos. Das sollte jedem bewusst sein. Es gibt nicht nur Leute, die es “gut mit einem meinen”, das ist im “wahren” Leben nicht anders, nur ist es halt im “wahren” Leben für manche Leute weniger “einfach”, sich ggf. negativ auszulassen. Da kommt einigen die virtuelle Welt ganz gut entgegen, in der einige Mitmenschen meinen, sich anonym gut ausko…. zu können. Ich hab im beruflichen Leben selbst erfahren, dass es zuweilen sinnvoller ist, sich virtuell zu bestimmten Themen besser nicht zu äußern. Einer ehemaligen Kollegin ist genau das zum Verhängnis geworden, als sie sich in einem “sozialen Netzwerk” über gewisse Befindlichkeiten im Büro ausgelassen hat.

    Dennoch die “virtuelle Welt” hat auch ihre schönen Seiten, wie ich finde und – genau wie im “wahren Leben” – muss man vielleicht das eine oder andere mal mehr überlegen, ob ich dies oder jenes sage/schreibe und welche Fotos ich von mir und meinen Lieben preisgeben mag. Recht machen kann und WILL man es eh nicht allen.

    Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche von der Liese.

  • Meine liebste Julia,
    wir mögen Dich und deine Art genauso wie sie ist.

    Wenn ich Fragen habe, frage ich (nach Mama natürlich) sofort dich, also lass alle anderen es anders machen, du machst alles, wie du es machst SUPER !!! ♡

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