liebe und wut gehören zusammen

Es ist 8:30 Uhr. Unser Mini-Menschen-Mädchen und ich sind in der Bahn, sind auf dem Weg in die Kita. Die Bahn ist recht voll, nur ein paar Plätze sind noch frei. Wir stehen, denn unsere Frieda sitzt nicht so gerne neben wildfremden Menschen. Frieda ist auf meinem Arm. Ihre kleine Hand streichelt mir durch das Gesicht. Unsere Nasen berühren sich, wir schmiegen unsere Wangen aneinander. Wir küssen uns, ihre Arme umarmen mich fest. Ich sage ihr, dass ich sie liebe. Dass ich stolz auf sie bin und sie das stärkste Mädchen der Welt ist. Wir schauen und lächeln uns an. Wir kuscheln, schnuffeln und schließen dabei die Augen. Wir machen Quatsch, singen leise unsere gemeinsamen Lieblingslieder. Wir haben nur Augen für uns und unsere gegenseitige Liebe. Ja, unsere Liebe ist groß, einfach großartig. Sie ist unendlich und so stark, dass niemand und nichts in dieser Welt sie erschüttern kann. Viele Menschen in der Bahn schauen uns an. Einige von ihnen lächeln und sind scheinbar gerührt von unserer Innigkeit. Was sie aber alle nicht wissen und nur unsere Nachbarn lautstark mitbekommen haben: Nur kurze Zeit vorher hatte unser Mini-Menschen-Mädchen einen ziemlich krassen Wutanfall. Sie schrie wie am Spieß, kreischte und weinte bittere Tränen. Schlug gegen Türen, kratze und haute mich. Sie wütete und brüllte: “Mama tot, Mama gemein!”, warf sich auf den Boden und strampelte heftig.

Wie es dazu kam? Wie jeden Morgen standen wir auch diesmal zeitig auf. So zeitig, dass wir noch über eine Stunde Zeit zum gemeinsamen Malen, Singen, Kneten, Spielen oder (Vor-)lesen hatten. Wenige Minuten vorm Losgehen fiel unserer Frieda dann aber ein, dass sie auch noch in der Küche mit Wasser spielen wollte. Die Bahn wartet aber nicht und in die Schule (ich bin ja Lehrerin) kann ich nunmal auch nicht kommen, wann ich will. Es blieb mir nur übrig,  den Liebesverlust in diesem Augenblick und das Schreien unseres Mini-Menschen-Mädchens auszuhalten und ihren Frust, die Trauer und Wut bestmöglich zu begleiten. Ich konnte ihrer Traurigkeit nur Raum geben, eine Daseinsberechtigung. Ich setzte mich neben sie auf den Boden und hörte genau hin, hörte ihr zu. Ich formulierte ihre Gedanken: “Du wolltest zu Hause bleiben und noch unbedingt mit Wasser spielen. Du bist richtig wütend und traurig. Du wolltest noch mit Wasser spielen!”. Ich bot ihr meine Hand an, signalisierte ihr, dass sie auf meinen Schoß kommen könnte, mehr konnte ich nicht machen. Es dauerte fast 20 Minuten bis sich unsere Frieda von ihrem Frust, nicht mehr mit Wasser spielen zu können, erholt hatte und meine angebotenen Hand annehmen konnte. Fix und fertig fiel sie mir in die Arme, schloss die Augen und wir hielten uns einfach nur. Einige Minuten lang. Erst dann machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof und standen dann irgendwann in der Bahn. Ihre kleine Hand streichelte mir durch das Gesicht. Unsere Nasen berührten sich, wir schmiegten unsere Wangen aneinander. Wir küssten uns, ihre Arme umarmten mich fest. Ich sagte ihr, dass ich sie liebe. Dass ich stolz auf sie bin und sie das stärkste Mädchen der Welt ist. Abends im Bett, wenn wir nochmal über den Tag sprechen, weiß unsere 2-jährige Frieda sehr genau, dass sie morgens richtig wütend auf mich war. Dass sie zu Hause bleiben und noch unbedingt mit Wasser spielen wollte. Wir sprechen nochmal darüber und sagen ihr von ganzem Herzen, dass sie immer wütend und traurig sein darf und soll und sie die größte Liebe unseres Lebens ist.

Phasen kommen, Phasen gehen. Wir hatten jetzt viele Monate keine morgendlichen Startschwierigkeiten mehr. Im Moment ist es aber wieder so anstrengend, dass ich schon morgens k.o. zur Arbeit fahre. Kennt ihr das? Wie sehen bei euren Mini-Menschen-Kindern Wutanfälle aus und wie reagiert ihr darauf?

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