idealisierte Kinderbücher

Unser Mini-Menschen-Mädchen ist seit einiger Zeit ein richtig großer Conni-Fan. Wahrscheinlich kommt kein Kind an Conni vorbei, begegnet sie einem irgendwie überall und ständig. Frieda will jedenfalls, seitdem sie bei ihrer Oma die ersten Conni-Geschichten vorgelesen bekam, kaum noch andere Bücher anschauen. Conni, Conni, Conni. Irgendetwas an Conni zieht kleine Kinder magisch an. Conni erlebt aber auch wahnsinnig tolle Sachen. Sie lernt reiten, bekommt ein Kätzchen, backt Pizza. Mit Conni macht alles großes Spaß, sie nimmt jede Hürde fast ohne Probleme und mit ihr werden auch alltägliche Sorgen zum Kinderspiel. Der Arztbesuch ist dann genauso spannend wie eine große Schwester zu werden. Es gibt kaum Schwierigkeiten, keinen Ärger, keine Auseinandersetzungen, keine Reibungspunkte. Mama und Papa lieben Conni, sie helfen ihr, sind immer für sie da und…sie lachen immer und sind stets glücklich.

Negative Gefühle gibt es gar nicht, zumindestens habe ich bisher noch nichts von ihnen gelesen. Eine tolle Bilderbuchfamilie eben. Neben Conni gibt es dann ja auch noch Bobo, den lustige Siebenschläfer und seine Familie. Der ist auch so ein Kandidat. Er fährt mit einem Mini-Einkaufswagen durch den Supermarkt, knallt gegen ein Regal, alles fällt herunter, eine Kiste fällt ihm sogar auf den Kopf. Er ist weder wütend noch traurig. Seine Mama auch nicht. Sie spielen „Kuckuck“ durch den Schlitz der Kiste, die Bobo immer noch auf dem Kopf trägt. Von der Supermarktleitung ist auch keine Spur. Keiner muss fegen oder etwas aufheben. Alles ist ganz unproblematisch und wunderbar. Das was hier in vielen Kinderbücher abgebildet ist, ist eine besonders heile Welt. Eine intakte, wundervolle Familie ohne Streit, Probleme und Schwierigkeiten. Hier trennen sich Eltern nicht, hier wird nicht geschimpft, keine Mama ist genervt, es gibt keine Hetze morgens zur Kita. Gefühle wie Eifersucht oder Neid kommen nur ganz selten hoch und werden sofort durch weise Worte der Eltern im Keim erstickt. Und die Mini-Menschen-Kinder verstehen die Worte und akzeptieren sie. Kinder sind sowieso außerordentlich verständnisvoll und checken sofort alles.

Ich kann verstehen, warum vielen Eltern Conni und Co total auf den Keks gehen. Natürlich versuchen wir unserer Frieda auch mit anderen Büchern und Geschichten die Realität etwas näher zu bringen. Streit, Probleme, Tränen, Wut – das alles gehört nämlich nicht nur zum Großwerden, sondern schlichtweg zum Leben dazu. So idyllisch, wie das Leben dieser kleinen Familien in vielen Kinderbuchgeschichten dargestellt wird, ist es in echt nämlich natürlich nicht. Trotzdem bin ich totaler Fan von idealisierten Kinderbüchern. Sie ergänzen das Bücherregal unseres kleinen Mini-Menschen ganz wunderbar und gehören für mich genauso in jedes Kinderzimmer, wie Sachbücher oder Erzählungen von dem Tod des geliebten Haustiers oder Geschwisterstreit und -eifersucht, Trennung der Eltern und anderen kleinen und großen Sorgen. Warum ich finde, dass auch die abgedruckte heile Welt bei Conni absolut okay geht? Schau’ doch einfach mal, was in deinen Bücherregalen so steht. Neben guten Erziehungs- und Beziehungsratgebern findest du dort ziemlich sicher auch Krimis und Romane. Sind diese Geschichten nicht auch für dich eine kleine Flucht aus dem Alltag? Beamst du dich damit nicht auch irgendwie ein kleines bißchen weg und durchlebst gedanklich dieses Buch? Fesseln dich vielleicht gefährliche Situationen oder viel mehr zauberhafte Liebesgeschichte. Wir alle brauchen doch auch kleine Träumereien, die unsere Fantasie am Leben halten. Es sind Protagonisten, mit denen wir und identifizieren, aber uns auch Wegträumen können. Unsere Kinoeinwände sind doch auch voller männlicher und weiblicher Superheros, die besondere Fähigkeiten haben, zu einem anderen Planeten fliegen, sich unsterblich in Vampire verlieben oder die mit einem Teleporter in einer ganz anderen Welt landen und dann gegen böse Mächte kämpfen. So what?

Warum nervt viele Eltern dann der Gesang von der kleinen Hexe Bibi oder dem sprechenden Elefanten? Conni, Leo Lausemaus und Co sind nicht per se scheiße, weil sie falsche Tatsachen vorspielen. Nein! Ich finde diese ganzen Bücher und kleine Geschichten nicht nur sehr wertvoll, sondern sogar auch unbedingt notwendig für die kleinen Kinderseelen. Sie sind Balsam. Balsam neben der Liebe, Wärme und Geborgenheit ihrer Eltern. Der Sicherheit, die sie hoffentlich jeden Tag spüren. Trotzdem sollten wir auch unseren Mini-Menschen-Kindern kleine Fluchten aus dem stressigen, anstrengenden oft überfrachten Alltag gönnen. Und wenn du es schaffst, ist es vielleicht auch für dich ganz schön dein inneres Kind etwas an den tollen heile-Welt-Geschichten zu sättigen.

Welche idealisierten Kindergeschichten mag euer Mini-Menschen-Kind besonders gerne? Mögt ihr sie oder ertragt ihr sie einfach nur irgendwie? Seid ruhig mal ehrlich. Ich bin gespannt.

3 Comments

  • Unsere steht auch auf Conni, wir kennen alle Geschichten auswendig, was und stört ist, dass Conni etwas will und es auch bekommt, das haben wir an unserer Kleinen gemerkt, dass Wort WILL wurde ständig benutzt.
    Immer wieder stolpern wir über das Wort, schade dass es so oft verwendet wird, weil daraus schnell ein Befehlston wird. Ein *ich möchte gerne* wäre viel passender. Sonst stören mich die Geschichten nicht.

  • Unser “Connie-Fieber” war etwas abgekühlt zuletzt.
    Gerade gestern beim Friseur war ich allerdings ganz happy, dass wir dort beim Warten vorher noch “Connie geht zum Friseur” lesen konnten (und dennoch hat die bald vierjährige noch Theater gemacht).
    Außerdem ist kürzlich bei einem Ausflug mein 4-jährige Neffe auf dem Berliner Hauptbahnhof erst etwas hinterhergetrödelt und plötzlich abgebogen statt wie wir anderen geradeaus zu gehen! Wir haben es nach weniger als einer Minute gemerkt, aber da stand er schon heulend 20 Meter weit weg umringt von ein paar Erwachsenen. Auch da habe ich auf Connie zurück gegriffen und noch mal durchgespielt, was Kinder in einer solchen Situation machen können und wo sie Hilfe bekommen. Von daher kann ich schon behaupten, dass ICH ein Connie-Fan bin 😉
    Liebe Grüße,
    Uta

  • Hi Julia,

    ich kann deine Meinung sehr gut nachvollziehen und bei uns gibt es auch einige idealisierte Kinderbücher, aber sehr wenige, denn mir fehlt darin oft irgendwie ein bisschen das Leben, vielleicht auch die Spannung.

    Ich mag lieber Bücher, die mir oder den Kindern helfen, ein Problem zu lösen – oder die sich uns gut einprägen, weil die Sprache oder der Inhalt besonders ist.

    Heile Welt ist zwar schön, aber – zumindest für mich – auch ein bisschen langweilig. Es kann, finde ich, schon ein bisschen dramatisch oder außergewöhnlich sein – oder es können Gefühle bzw. Situationen aus dem echten Leben vorkommen. Solange man mit den Kindern darüber redet, ist das meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung. 🙂

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