selbstbestimmt? nicht immer!

selbstbestimmt1ALLTAGSGESCHICHTE Wir leben ziemlich bedürfnis- und beziehungsorientiert. Das wisst ihr inzwischen. Oft genug habe ich euch schon an Episoden aus unserem Alltag teilhaben lassen oder euch tolle Literatur zum Thema vorgestellt. Ich bin definitiv keine Expertin in “Beziehung statt Erziehung” sondern selbst nur eine ganz normale Mama, die (genauso wie ihr) das Beste gibt und dabei so manches Mal an ihre Grenzen stößt. Genau an diesen Stelle erlebe ich dann aber mein ganz persönliches Wachstum. Durch das Spüren meiner Grenzen bleibe ich eben auch stets in Bewegung, reflektiere und verändere mich und wachse sozusagen mit unserer Frieda gemeinsam. Das ist Elternschaft. Bei unserem Mini-Menschen-Mädchen geht es gerade sehr intensiv um Autonomie und ihr Bedürfnis selbstbestimmt durchs Leben zu gehen. Und gerade weil es sehr anstrengend ist, hinterfrage ich meine Verhaltensweisen besonders oft und rufe mir selbst immer wieder in Erinnerung, wie wichtig es für Kinder ist selbstbestimmt durchs Leben zu gehen.

Warum Selbstbestimmt so wichtig ist

selbstbestimmt2Kinder müssen eigene Entscheidungen treffen und persönliche Erfahrungen machen. Also versuchen wir unser Leben weitestgehend in eine JA-Umgebung zu verwandeln, so dass Guido und ich vor allem nur in den wirklich nötigen Situationen Entscheidungen über Frieda treffen. Das sind dann meistens Momente, in denen wir schlichtweg für Schutz sorgen. Wir beziehen unseren kleinen Lieblingsmenschen also in Entscheidungen mit ein überlegen gemeinsam, verhandeln und kooperieren. Übrigens miteinander. Nicht nur Frieda mit uns. Ganz oft kooperieren auch Guido und ich mit ihr 🙂 Aber vieles, vieles andere, wie das Essen (wann und was), die Kleidung, das “Trockenwerden”, die Schnullerentwöhnung und auch sonst ganz viel Alltag bestimmt unsere Frieda selbst für sich. Das fördert nicht nur ihre Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, sondern führt meiner Meinung nach zu einer Eltern-Kind-Beziehung auf Augenhöhe.

selbstbestimmt und Co-Reguliert

selbstbestimmt3Und doch gibt es in unserem Alltag hin und wieder auch Situationen, in denen ich natürlich nicht für Frieda oder über ihren Kopf hinweg entscheide, aber mit Achtsamkeit, viel Liebe, Empathie und Geduld versuche eine beratende Funktion einzunehmen. Es gibt nicht einen festgelegten Moment, in dem ich jedes Mal co-reguliere, aber beim Fernsehen kommt es bei uns schon öfter vor. Nicht, weil ich TV so unpädagogisch finde, sondern weil unsere Frieda weiter und weiterguckt und (noch) nicht für sich merkt, wann Fernsehkonsum sie nicht mehr gut fühlen lässt. Viele Stimmen, bunte und schnelle Bilder, aber auch so manche Geschichte überfordern, überreizen oder beunruhigen sie schnell. Und da Fernsehen ja nur eine von vielen Möglichkeiten ist, versuche ich an dieser Stelle die Co-Regulation. Ich versuche mich da sehr genau in Frieda einzufühlen, ihr Bedürfnis hinter dem “Fernsehen” zu erspüren und ihr Alternativen zu bieten, die ebenfalls ihr Bedürfnis befriedigen (könnten). Manchmal dauert das so seine Zeit und erfordert auch intensive Begleitung, ist aber eine ganz wunderbare Möglichkeit nochmal mit ihr darüber ins Gespräch zu kommen, Kompromisse zu finden und gemeinsam sehr schöne Ideen entwickeln zu lassen.

Ja, selbstbestimmt klingt gut und wird in der bedürfnis- und bindungsorientierten Elternschaft oft hoch gehalten. Zu Recht! Aber es klappt eben auch nicht immer in allen Lebenslagen und Situationen, bei allen Kindern und in allen Familien. Muss auch nicht, denn es ist nicht das einzige gültige Kriterium für eine Eltern-Kind-Beziehung auf Augenhöhe.

Wie wichtig ist für euch die Selbstbestimmung eurer Kinder? An welchen Stellen klappt selbstbestimmt gut, an welchen eher nicht?

5 Comments

  • Ich finde es auch gut, wenn Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen. Aber nicht um jeden Preis. Wenn das Kind abends nicht schlafen möchte, setze ich mich nicht daneben und erzähle so lange, bis es einschläft (beim Baby schon). Und wenn es dem Jungen mit der Schaufel eins überzieht, schaue ich auch nicht einfach zu. Oder wenn es zu nah an der nicht eingegrenzten Elbe entlang läuft. Du verstehst, was ich meine? Die Geschwister können sich zanken und auch mal an den Haaren ziehen – that’s life! Aber ich greife ein, wenn es brenzlig wird. Ich bin da, um meine Kinder zu schützen und ihnen auch meine Erfahrungen weiterzugeben.

    Liebe Grüße
    Isa

  • Wir lassen unsere Kinder auch sehr viel selbst bestimmen. Beim Zubettgehen gibt es aber unter der Woche eine feste Zeit, da beide Jungs, wenn sie übermüdet sind, sehr ungemütlich werden und sich nicht einfach hinlegen…

  • Huhu,
    wir versuchen auch immer, unsere Kids, wo es Möglich ist, selbst bestimmen und mit entscheiden zu lassen.
    Jedoch fallen wir natürlich aus der Norm mit unseren autistischen Kindern. Wo wir, beispielsweise beim Essen, überhaupt keinen Einfluss auf sie nehmen (können) und sie selbstbestimmt entscheiden was sie essen wollen und was sie liegen lassen (aber bitte an guten Tagen vorher mal kurz probieren ;)) – so gibt es Dinge die sie leider auch einfach tun müssen. Wo ich nicht einfach weil sie keine Lust haben absagen kann, zum Beispiel ihre Therapien.

    Klar, als ich merkte das die Chemie zwischen Physiotherapeutin und Finn nicht stimmt, und sie dann anfing ihn zu regulieren und ihm vorschreiben wollte welchen Ball er zu bespielen hat, weil der eine rot und der andere orange war, war das Thema in dem Moment als sie ihm sagte:” Ich habe große Brüder, den Kampf verlierst du” vorbei. Ich habe die Therapie daraufhin abgebrochen. Aber sie wird später woanders weitergeführt werden müssen, denn sie ist notwendig. Leider.

    Wo ich meinen Willen auch tatsächlich meinen Kindern aufzwinge, ob sie das grade wollen oder nicht, ist in ihrer Inkontinenzpflege. Auf Grund ihrer Wahrnehmungsstörung, stört es sie leider nicht, wenn etwas in der Windel ist und sie bleiben einfach mit der vollen Windel sitzen. Bei einem Kind von 11 Jahren, ist das echt unangenehm für alle anderen und auch für die Hygiene natürlich nicht förderlich. Also verlange ich einfach dass “sauber” gemacht wird.

    Man sieht, Selbstbestimmt funktioniert einfach nicht immer zu 100% 🙂

  • Ich finde deinen Artikel sehr interessant und bin gerade das erste Mal auf deiner Seite unterwegs.
    Unser Minimister ist erst anderthalb Jahre alt und in einem halben Jahr kommt der nächste Minimensch dazu. Das macht die Gedanken über Erziehung wieder anstrengender, weil ich mir schon Gedanken mache, zwei Kindern gerecht zu werden.
    Wir erziehen unser Kind eigentlich gar nicht. Nicht bewusst wegen Selbstbestimmung für Kinder, sondern eher aus Faulheit 😉 Aber mit einem anderthalb jährigen kann man schlecht diskutieren und so müssen wir doch öfter als mir lieb ist, lauter werden und/oder intervenieren, trotz aller Freiheit. Denn die Freiheit unseres Kindes endet an der Freiheit anderer Menschen. Sobald er etwas kaputt macht oder jemandem (auch sich selbst) weh tut, ob beabsichtigt oder nicht, muss ich eingreifen.
    Es mag Vertreter von Selbstbestimmung geben, die mir da widersprechen, aber wenn mein Kind mit Steinen auf andere Kinder wirft, kann ich nicht sagen, dass die das unter sich regeln sollen. Denn das können sie nicht. Und das stört mich tatsächlich an vielen Eltern, die Selbstbestimmung von Kindern vertreten. Das ist nun Mal nur im Rahmen der Entwicklung von Kindern möglich. Kinder sind zwar zu klein geratene Menschen, aber keine zu klein geratene Erwachsene, und das vergessen viele.
    Aber nach meiner Kritik soll nicht vergessen werden, dass mein Kind auch viel bis alles darf. Wenn es nachmittags Salzstangen anstatt Banane geben soll, dann ist das eben so. Und auch wenn er mit anderthalb bisher nur hallo und Tschüss sagen kann, kann er mir durchaus mitteilen, dass es die Salzstangen sein sollen.
    Neulich wurden wir auf einer Party gefragt, ob wir ihm nicht verbieten wollen, uns die Flaschen aus dem Regal zu bringen 😀 Das wäre mir einfach zu anstrengend gewesen, er wollte nun mal dieses Regal umräumen und hat damit niemandem geschadet, sich selbst aber eine halbe Stunde beschäftigt 😉
    Genug erzählt! LG Claudia

  • Unsere Tochter darf viel für sich selbst entscheiden und das tut sie auch, schon seitdem sie ganz klein ist. Mit zwei hatte sie eine genaue Vorstellung davon, was sie anziehen will (Farbe aussuchen) und das stieß bereits in der Umwelt auf Unverständnis.
    Viel zu klein – wurde argumentiert.
    Dem war aber nicht so!
    Mit drei kam sie in den Kindergarten und dort bekam sie den Schock ihres Lebens. Es gab keine Konzepte für selbstbestimmte Kinder – im Gegenteil.
    Wie auch bei überlastetem Personal und fragwürdigen Konzepten.
    Unser Kind entwickelte einen selektiven Mutismus und bekam Angst.
    Zuhause darf sie weiterhin mitentscheiden bei allen Dingen, die sie selbst betreffen. Mittlerweile ist sie acht.
    Wir müssen in manchen Bereichen allerdings auch Grenzen setzen. Das betrifft beispielsweise das Einkaufen von Klamotten oder anderen Sachen. Es kann eben nicht alles gekauft werden, was man sich so wünscht.
    Der Umgang mit Geld ist zur Zeit ein großes Thema.
    Ebenso darf ihre Selbstbestimmung nicht soviel Raum einnehmen, dass sie meine oder die vom Papa einengt oder gar außer Kraft setzt.
    Bedürfnisorientiert heißt für uns ja nicht, dass nur ihre Bedürfnisse wichtig sind.
    Dazu gehören ganz viele Dinge im Alltag, die ausgehandelt werden und die Kompromisse brauchen. Das ist sehr anstrengend, jedoch auch sehr beziehungsintensiv.
    Grenzen setzen wir bspw beim Tablet spielen und beim ins Bett gehen, Körperhygiene und täglichen Abläufen zB früh pünktlich in die Schule gehen usw.
    Liebe Grüße und alles Gute weiterhin für eure kleine Familie!

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