HOCHSENSIBILITÄT Ich bin absolut kein Freund davon Kindern einen Stempel aufzudrücken. Nicht den eigenen und auch nicht anderen. Stempel führen in den meisten Fällen nämlich zu pauschalen Verurteilungen und sind oft eher hinderlich als förderlich. Egal, was es ist. Ich habe so oft schon von “High Need Kindern” gelesen und dachte im Stillen jedes Mal, dass diese 12 typischen Kriterien uneingeschränkt auch auf unsere Frieda zutreffen. Dennoch wollte ich irgendwie nie diejenige sein, die ihr Kind in eine Schublade steckt. Ich brauche nämlich auch gar keinen Namen, um Verhaltensweisen meines Mini-Menschen-Mädchens besser einordnen zu können, sondern ich akzeptiere von Herzen sein Wesen. Sowieso nehme ich die Menschen um mich herum so an, wie sie in ihrem Menschsein sind. Das gilt für unsere kleine-große Frieda im besonderen Maße. Ich liebe sie bedingungslos, so wie sie ist. Mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen und mit ihren Gefühlen. Obgleich es natürlich immer mal wieder anstrengend ist, ich an meine Grenze stoße, über sie hinaus gehe und am Ende daran wachse. Unsere Frieda bereichert mein Leben so sehr, wie noch kein anderer Mensch es zuvor getan hat. Ich begleite sie in für sie schwierige Situationen und bin für sie da, wenn sie mich braucht. Ja, vielleicht braucht sie mich in vielen Momenten öfter und intensiver als andere Mini-Menschen-Kinder ihre Eltern brauchen, das kann sein. Trotzdem bedarf es aber keiner Bezeichnung und erst recht keines Stempels für besondere Verhaltensweisen unserer Tochter. Frieda ist, wie sie ist. So wie ich bin, wie ich bin. Und ihr seid, wie ihr seid. Unsere liebevolle Begleitung ist davon unberührt und unabhängig. Als dann aber mein Beitrag “Mein empfindsames Kind” von der Facebookgruppe Eltern hochsensibler Kinder geteilt wurde, bin ich zum ersten Mal so richtig auf das Thema Hochsensibilität aufmerksam geworden und habe mich in diese spannende Thematik eingelesen.
Hochsensibel oder einfach empfindsam
Im Grunde ist es bei unserer Frieda nämlich auch noch ein kleines bißchen mehr als “High Need” oder eben auch nicht. Keine Ahnung. Frieda ist sehr nachdenklich und stellt sich selbst und uns “große” Fragen. Sie ist wunderbar mitfühlend und erzählt noch Stunden später davon, dass der Junge an der Bahnhaltestelle so bitterlich geweint habe. Auch hier benötigt sie viele Erklärungen und Begleitung. Und sie denkt wieder nach, bevor eine nächste Frage anknüpft. Frieda nimmt sich viele Ruhepausen, in denen sie ganz einfach mit Nichtstun beschäftigt ist. Wir hatten eine extrem schwere Eingewöhnung in der Kita, die meisten Sozialkontakte mit Gleichaltrigen sind ihr eh mehr Leid als Freud. Sowieso sind unbekannte Menschen ihr genauso unangenehm wie Leute, die ihr zu sehr auf die Pelle rücken. Tun das fremde Leute, schaltet Friedas Gehirn irgendwie schnell auf “Gefahr” und sie bekommt sogar richtige Angst. In unbekannten Situationen überreizt Frieda schnell und braucht dann intensive und liebevolle Begleitung, um es zu überstehen. Dann ist aber auch das Eis gebrochen und sie brennt vor Begeisterung. So war es beim Kinderballett und jetzt auch in der Kinderreitstunde. Sowieso braucht unser Mini-Menschen-Mädchen Rituale und einen sehr strukturierten Alltag, in dem vieles immer gleich abläuft. Das gibt ihr Sicherheit. Außerdem ist sie ordnungsliebend und weint sogar manchmal, wenn es zeitlich mal knapp wird, sie nicht mehr aufräumen kann und es auf später verschieben soll. Sowieso möchte sie schon jetzt alles sehr perfekt machen und beißt sich gerne auch mal fest, bis sie das “Problem” selbstständig gelöst hat.
was nun? Wie geht es jetzt weiter?
Als man mir vor ein paar Wochen dann sagte, dass die Beschreibung unserer Frieda ziemlich gut auf die von hochsensiblen Kleinkindern passen könnte, habe ich echt lange überlegt und gehadert. Ich bin mir auch immer noch nicht ganz sicher, ob es tatsächlich unser Thema sein könnte. Ob Frieda hochsensibel, vielleicht eher ein “High Need Kind”, oder doch einfach nur zurückhaltend und besonders empfindsam ist?! Und wenn man es dann wüsste? Was soll’s, was bringt’s? Wie geht es dann weiter? Es würde sich nichts ändern und irgendwie doch ganz viel.
Bist du selbst hochsensibel, dein Kind oder kennst du jemanden? Kennst du dich aus oder hast was dazu zu sagen? Denkst du vielleicht das alles ist einfach nur in Mode gekommen ist und das es Hochsensibilität nicht wirklich gibt… Was denkst, weißt oder fühlst du? Ich bin gespannt.
Was ist typisch hochsensibel | Mut zur Hochsensibilität | Mein empfindsames Kind | Entwicklungsgespräch in der KiTa
Hey Julia,
ich schreib heut mal hier statt auf Fb 😉
Ich bin auch eher zufällig vor einiger Zeit auf das Thema gestoßen aber es trifft bei unserem Mädel (2,1/4) auch zu.
Als du damals in deinem Blog die Situation vom Bloggercafe geschrieben hast, war das Thema bei uns grade aktuell entdeckt und ich hab damals schon gedacht das Frieda vielleicht auch hochsensitiv ist. Genau solche Situationen kennen wir auch oder die beim Balett oder auch viele weitere aus deinem Blog. Das Wort hochsensitiv gefällt mir übrigens besser. Weil sensibel z.B. bei Stürzen oder ähnliches ist unser Schatz ganz und gar nicht, sondern eher hart im Nehmen.
Hab dazu ein ganz tolles Buch gekauft, glaube das würde euch auch gefallen/zu euch passen:
Mit feinen Sensoren. Hochsensitive Kinder erkennen und ins Leben begleiten. Von Dirk und Christa Lülling
Ich freu mich schon auf viele weitere Blogs von dir, sie lesen sich toll und ich entdecke auch uns immer mal wieder ein Stückchen drin wieder.
Grüße von deiner Stammleserin 😉
Carolin
Hi. Ich war schon immer Mega sensibel, zeitweise ist es auch unerträglich für mich und wohl auch etwas für meine Mitmenschen. Meine Tochter ist 3 Jahre und schlägt auch diese Richtung ein. Es ist schon sehr auffällig und ich weiß jetzt auch nicht, ob ich was machen soll oder nicht?
Ich war schon als Kind hochsensibel und das ist so geblieben. Meine Mutter hat so ziemlich alles, was du mit Frieda erlebst, auch erlebt, nur dass High Need oder Hochsensibilität/-sensitivität damals noch keinen Namen hatte. Ich war auch als Kind enorm mitfühlend, habe sofort jede Unstimmigkeit zwischen den Eltern gespürt und war auch sehr empfindlich gegen Lärm aller Art. Ich mochte beispielsweise auch keine engen Kleidungsstücke oder kratzige Strumpfhosen. Mit anderen Kindern wollte ich nie oberflächliche Beziehungen, habe immer nach der besten Freundin gesucht und ab und an auch gefunden. Kinderturnen etc. war problematisch ohne meine Mama. Mit der Zeit habe ich gelernt, mit meiner Umgebung und den Menschen besser zurecht zu kommen, in der Schule/Studium war ich aufgeschlossen, beliebt und an allem interessiert. Aber der hochempfindsame Kern ist geblieben, auch das Gefühl, dass mir aufwühlende oder unbekannte Situationen mit Menschen schnell zu viel werden. Ich hätte mir rückblickend gewünscht, dass meine Eltern das Phänomen der Hochsensibilität damals schon gekannt hätten. Und ich hätte gerne andere Kinder mit dieser Veranlagung gekannt. Denn wenn die Eltern nicht so gefestigt im Leben stehen wie ihr, kann leicht das Gefühl aufkommen: Stimmt mit meinem Kind etwas nicht? Ihr macht das schon richtig.
LG Lilo
Hallo Julia, Instagram hat mich grad auf deine Seite geführt. Wie so oft bereits, mit dem richtigen Riecher.
Mein Sohn ist auch hochsensibel. Sein Kinderarzt erwähnte den Begriff erstmals bei der U9 vor zwei Jahren. Ich dachte damals, er meint, dass er sehr sehr sensibel sei. Erst später googelte ich etwas und stieß auf den Begriff Hochsensibilität, nicht ahnend, dass ich dort quasi die Bedienungsanleitung für mein Kind finde 🙂
Meiner ist sehr empathisch, geräusch- und berührungsempfindlich und braucht Strukturen und Ruhe.
Meine zwei liebsten Bücher zum Thema sind “Empfindsam erziehen“ von Julie Leuze und von Rolf Sellin “Mein Kind ist hs“. Freue mich aber schon auf deine Buchtipps
Im Kiga sind sie mit dem Thema Hochsensibel wunderbar umgegangen, haben sich eingelesen und bestätigt. In der Schule bin ich grad dabei, aber da bin ich noch ganz guter Dinge.
Alles Liebe und Gute,
Bianca
Hey Julia,
jetzt endlich komme ich dazu mal durch deine Beiträge zu schmökern. Und du hast mein Herz zum Strahlen gebracht mit deiner Beschreibung von deiner Tochter! Solche Mütter braucht es. Ich verstehe es so gut, dass man sein Kind nicht in eine Schublade stecken möchte. Wenn die da nämlich drin stecken bleiben wird es schwer. Aber gerade bei dem Thema Hochsensibilität hilft es zu verstehen! Wenn man als Erwachsener begreift, dass man hochsensibel ist, ist das wie DAS fehlende Puzzlestück für das vergangene Leben. Und ich glaube für unsere Kinder ist es ein Geschenk von Erwachsenen begleitet zu werden, die die Besonderheiten, Feinheiten und Gaben verstehen und sehen. Hochsensibilität ist keine Krankheit und kein Drama. Also reicht es völlig aus, das eigene Kind weiterhin liebevoll zu begleiten, zu beobachten und zu unterstützen.
Liebe Grüße Verena